Thread: Dann sterben halt auch junge Menschen

Seid ihr auch wütend, müde und deprimiert? Bei uns in der Redaktion herrscht seit Wochen kollektives Kopfschütteln über den politischen Kurs, den Deutschland im Zuge der dritten Corona-Welle eingeschlagen hat. Auch wir sind Teil einer großen Mehrheit, die diese Gesellschaft trägt. Wir halten uns an die Maßnahmen, kritisieren konstruktiv und hinterfragen politische Entscheidungen, sensibilisieren unsere Mitmenschen und zeigen sogar Möglichkeiten auf, wie man besser mit der Pandemie umgehen kann. Manche von uns haben sich Aktionsbündnissen angeschlossen, andere schreiben Texte oder engagieren sich neben ihrer normalen Arbeit für ihre Mitmenschen. Gehört werden wir trotzdem nicht, weil uns die breite Bühne fehlt. Weil wir nicht relevant genug sind, als dass unsere Statements durch die Presse bis hin zu den Verantwortlichen durchdringen könnten. Und unsere Kräfte schwinden.

Die Aktion #allesdichtmachen war für uns ein Schlag in die Magengrube. Nicht nur aufgrund ihrer grotesken Ausdrucksweise und dem fragwürdigen Stil, der die Todesopfer und das medizinische Personal verhöhnt. Sondern auch weil diejenigen, die dieses Machwerk erschaffen haben, und diejenigen, die es beklatschen, die Dreistigkeit besitzen, zu behaupten, es wäre dringend notwendig gewesen, ihre Stimme zu erheben, weil es niemand zuvor gewagt hätte, die Regierung für ihren Stil anzugreifen. Weil die Künstlerinnen und Künstler sich der unsäglichen Narrative bedienen und behaupten, die Meinungsfreiheit wäre gefährdet und die Presse gleichgeschaltet. Und weil man auf diese inhaltsleere Aktion mit Kritik reagiert, würden sie, die Akteure, in die rechte Ecke gedrängt.

Wo waren diese 53 Schauspielerinnen und Schauspieler und diejenigen, die die Genialität der Aktion jetzt feiern, eigentlich in den letzten Monaten der Pandemie? Als wir gewarnt, gemahnt und gefleht haben, wir müssen dringen die Schulen mit Luftfiltern ausstatten und mehr auf Digitalunterricht setzen, der Veranstaltungs- und Gastronomiebranche eine Perspektive geben und die Situation in der Pflege dringendst verbessern? Wo waren diese angeblichen Kämpfer und Meister der Satire gegen das Joch der Bundesregierung da? Wo sind sie jetzt und helfen sie uns, die wirklich fragwürdigen Maßnahmen zu kritisieren? Es geht nicht nur darum, dass wir weiter alle im Endloslockdown sitzen müssen oder aus Plastikschüsseln am Set essen, statt die Prozellanteller benutzen zu können (Grüße an Ben Becker), oder dass der Lieferando-Bote draußen bleiben muss. Über 80.000 Menschen sind bereits gestorben und es werden mit dem aktuellen Kurs der Bundesregierung noch deutlich mehr werden. Die Zahlen lügen nicht und die Opfer werden inzwischen immer jünger. Auch die Zahl der jungen Genesenen, die am Long-Covid-Syndrom leiden, steigt. Es sind unsere Partnerinnen und Partner, Kinder, Neffen, Freunde, Kolleginnen und Kollegen und unsere Bekannten. Menschen, die eine Familie haben und die eine Lücke hinterlassen werden, wenn sie gehen. Es könnte doch alles ganz anders sein.

Falls sich einer der neuen Leser nun fragt, wie man denn die Bundesregierung kritisieren soll, dem wollen wir mit dem nachfolgenden Thread von @DerGraslutscher ein schönes Beispiel liefern. Übrigens nur eines von vielen, das wir in den letzten Monaten hier auf unserer Seite veröffentlicht haben. Aber lest am besten selbst.

Das sagen andere User:

Der Thread wurde übrigens vor Inkrafttreten des neuen Infektionsschutzgesetzes veröffentlicht. Die oben erwähnte Kunstaktion hatte ebenfalls keinen Einfluss. An den Reaktionen merkt man deutlich, wie müde und deprimiert all diejenigen sind, die seit Wochen und Monaten gegen die Pandemie und ihre Auswirkungen kämpfen. Einige stehen kurz davor zu resignieren, andere beißen sich tapfer weiter durch, weil sie für das System und ihre Familien funktionieren müssen. Für die Ausführlichkeit des Textes und die treffende Einordnung gab es viel Zustimmung und Dankbarkeit. Ein paar der treffendsten Reaktionen haben wir hier für euch gesammelt.

Da wir nun am Ende des Beitrages sind, wollen wir an dieser Stelle noch auf den folgenden Thread hinweisen, der nicht nur konstruktiv und scharfsinnig die Corona-Politik der Bundesregierung aufs Korn nimmt, sondern auch Lösungsansätze anregt.

Thread: Es könnte alles ganz anders sein

Über den Autor/die Autorin