Habt Vertrauen in eure Kinder
In dieser Welt, in der wir leben, sind wir oft von einer Flut von Meinungen und Ratschlägen umgeben. Wir hören auf das, was Eltern, Lehrer, Freunde und Gesellschaft uns sagen wollen, manchmal aus gutem Grund. Aber es gibt Momente, in denen es von entscheidender Bedeutung ist, auf unsere eigene Intuition und unser eigenes Urteilsvermögen zu hören – insbesondere, wenn es um die Zukunft unserer Kinder geht.
Denn unsere Gesellschaft hat die Tendenz, Normen und Erwartungen aufzuerlegen, die nicht immer den individuellen Bedürfnissen und Wünschen unserer Kinder entsprechen. Diese Normen können sich auf Bildung, Karriere oder Lebensstil beziehen. Doch wenn wir stur auf fremde Meinungen und Ratschläge hören, ohne unsere Kinder und ihre eigenen Talente und Interessen zu berücksichtigen, könnten wir ihnen die Möglichkeit nehmen, ihr volles Potenzial zu entfalten.
Es ist wichtig, ein Gleichgewicht zu finden zwischen dem, was die Gesellschaft von uns erwartet, und dem, was unsere Kinder wirklich wollen und brauchen. Wir sollten darauf vertrauen, dass unsere eigenen Erfahrungen und unser Wissen über unsere Kinder uns in die Lage versetzen, die besten Entscheidungen für ihre Zukunft zu treffen. Denn am Ende des Tages sind es unsere Kinder, die ihre eigenen Träume leben und ihre eigenen Wege gehen müssen, und sie verdienen die Freiheit, ihre Bestimmung nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten. Der nachfolgende Thread von @JuliaSinglesias verdeutlicht das sehr schön.
#Thread
Mein Sohn hat die Matura bestanden, mit ausgezeichnetem Erfolg. Ich werde nun tun, worauf ich seit Jahren gewartet habe. Sein Maturazeugnis kopieren, in ein Kuvert stecken, und an eine gewisse Person schicken. Eine Person, sie ist eine renommierte Kinderpsychologin, die
— Julia Singlesias (@JuliaSinglesias) 20. Juni 2019
meinen damals 6-jährigen psychologisch getestet hat, weil er bei der Einschreibung in der Volksschule ein „auffälliges Verhalten“ an den Tag gelegt hatte. (Er sollte bis 10 zählen, war allerdings erst bei 143 zu stoppen, und er intonierte die Zahlen in verschiedenen Tierstimmen)
— Julia Singlesias (@JuliaSinglesias) 20. Juni 2019
Ich fand das witzig und smart, aber die Pädagogen machten ein ernstes Gesicht, und schickten uns zu eben jener Schulpsychologin. Die den Beruf, vermute ich, gewählt hat, weil sie Kinder nicht mochte, dafür mochte sie ihre klinischen Tests umso lieber.
— Julia Singlesias (@JuliaSinglesias) 20. Juni 2019
Diese „Feststellung der Schulreife“ zog sich über mehrere Einheiten. Ich begleitete meinen Sohn immer in die Praxis, wartete auf ihn, und dann gingen wir wieder nach Hause. Mein Eindruck war, dass die beiden überhaupt nicht miteinander konnten. Wollte ich mit ihr darüber reden
— Julia Singlesias (@JuliaSinglesias) 20. Juni 2019
wimmelte sie mich ab: „keine Zeit … das stört den Prozess … warten Sie auf das Ergebnis der Diagnostik … Sie erfahren alles noch früh genug.“ Doch, zwei Kommentare sonderte sie zwischendurch ab: „Der kann ja gar nix“ und „ojeoje, ich seh wirklich schwarz für die Schulreife“
— Julia Singlesias (@JuliaSinglesias) 20. Juni 2019
Dann war endlich das Ergebnis der klinischen Testung da, und, welch Überraschung, es zeigte sich ein äußerst düsteres Bild. Mein Sohn war, las ich, bei allen ausgetesteten Fähigkeiten im untersten Bereich, intellektuell eine Null, unmotiviert, bockig, zappelig, und sozial unreif.
— Julia Singlesias (@JuliaSinglesias) 20. Juni 2019
Die Psychologin bedauerte, dass mein Kind nie eine „normale Schule“, so formulierte sie das, besuchen können wird, ich solle ihn am besten gleich in der Sonderschule anmelden. Dann schickte sie uns nach Hause, die Sitzungen waren zu Ende. Was für eine Erleichterung für uns beide.
— Julia Singlesias (@JuliaSinglesias) 20. Juni 2019
Tags darauf meldete ich meinen Buben gleich in der Sonderschule an, und … NEIN, natürlich nicht. Weil ich genau merkte, wie unwohl sich das Kind bei dieser Trulla gefühlt hat, und wie nervig es für ihn war, in dieser destruktiven Atmosphäre getestet zu werden, und abgeurteilt.
— Julia Singlesias (@JuliaSinglesias) 20. Juni 2019
Ich zweifelte keine Sekunde daran, dass mein Sohn jede Menge Fähigkeiten hat. Diese Psychologin jedoch ganz bestimmt eine nicht: das Talent und die Empathie, sich in die Gefühlswelt eines Kindes hinein zu versetzen, und es mit Herz, Hirn und Humor zu fördern und zu begleiten.
— Julia Singlesias (@JuliaSinglesias) 20. Juni 2019
Der Rest der Geschichte ist rasch erzählt: von der eigentlich geplanten öffentlichen Volksschule hatten wir die Nase voll. Es wurde dann eine tolle private Einrichtung mit alternativen Lernmethoden, mein Sohn war von Anfang an begeistert, und in seiner Lernlust kaum zu bremsen.
— Julia Singlesias (@JuliaSinglesias) 20. Juni 2019
Der Wechsel in eine öffentliche AHS gelang später problemlos, er gehörte immer zu den Besten und Wissbegierigsten in der Klasse, und, für mich das absolut wichtigste: ging gerne zur Schule. Also alles gut! Und doch nicht. Was mich quält: was, wenn ich dem Psycho-Rat gefolgt wäre?
— Julia Singlesias (@JuliaSinglesias) 20. Juni 2019
Viele Eltern hätten sich gedacht: „Na, die Frau Schulpsychologin muss es ja wissen … die hat studiert, die hat erkannt, dass mein Kind strohdumm ist.“ Oder „nicht normal“, „auffällig“, etc. Die hätten vielleicht am Kind, und nicht an den Kompetenzen der Psychologin gezweifelt.
— Julia Singlesias (@JuliaSinglesias) 20. Juni 2019
Wie viele Kinder werden wohl am Beginn ihres Lebens mit zweifelhaften Diagnosen abgestempelt? Wie viele Kinder hocken dann, unterfordert, in sonderpädagogischen Einrichtungen? Unglücklich und ohne Selbstbewusstsein. Das ist dann auch mal kaputt. Für Jahre, oder gar für immer.
— Julia Singlesias (@JuliaSinglesias) 20. Juni 2019
Das ist Lebensfreude, die im Keim erstickt wird, und Potenzial, das verloren geht. Wer mit diesem Brandzeichen ins Leben startet, ringt möglicherweise ewig mit dem Gefühl, nichts wert zu sein, und am falschen Platz. Dieser Gedanke macht mich traurig, und wütend zugleich.
— Julia Singlesias (@JuliaSinglesias) 20. Juni 2019
Darum werde ich heute, einen Tag nach der Maturafeier und 12 Jahre nach der „Diagnose“, das Zeugnis, mit einem kurzen Brief, an eine Adresse senden, die ich gerade gegoogelt habe. Ja, die Psychologin praktiziert noch. Vielleicht gibt es ihr zu denken, vielleicht ist es ihr egal.
— Julia Singlesias (@JuliaSinglesias) 20. Juni 2019
Für mich jedenfalls ist es ein wichtiger Schritt. Auch schlechte Erfahrungen haben aber ihr Gutes: Mich hat dieses Erlebnis darin bestärkt, auf mein Bauchgefühl zu hören, statt auf „Experten“. Und an meine Kinder zu glauben. Immer. Tut das auch, bitte.
Danke fürs Lesen.
— Julia Singlesias (@JuliaSinglesias) 20. Juni 2019
Kommentare und Reaktionen:
Tja, und was lernen wir daraus? Hört auf eure Intuition und glaubt an eure Kinder! Was die Leserinnen und Leser dazu zu sagen hatten, erfahrt ihr jetzt.
Merkwürdig, oder?
Welcher 6jährige kann denn bis 143 zählen? Da hätte ich jetzt erstmal eher eine Hochbegabung oder zumindest eine Inselbegabung vermutet! 😮
Gratulation an den Sohn und Respekt für deine gute Intuition. 😊
— Mausemama (@Mausemama2) June 21, 2019
Sehr gut!
Yeah. Glückwunsch! Und absolut richtig gemacht. Wir ziehen hier auch stur unser Ding durch. Lt. Lehrer ist Kind eher mau in allem. Lt. Test überdurchschnittlich intelligent… wir sehen wer in 8 Jahren Recht behält 🤷🏼♀️
— Cat van Vamp (@CatvanVamp1) June 20, 2019
So wahr
Ich könnte heulen, wenn ich sowas lese. Aus Freude für euch, dass es gut ausgegangen ist und für deine Stärke, euren Weg zu gehen und dafür zu kämpfen. Aber auch aus Verzweiflung, wie viel Macht solche Menschen ausüben und wieviel Auswirkung das auf das Leben hat.
Danke!— LieselotTe WITTER (@LiebesLiesche) June 20, 2019
This!
Wahnsinn, aber leider kommen solche Rückschlüsse von der Familie auf die Fähigkeiten des Kindes so oft vor, man müsste, im Gegenteil, das Kind verstärkt fördern, statt es doppelt zu bestrafen.
— Julia Singlesias (@JuliaSinglesias) June 20, 2019
Respekt vor dieser Leistung
Meine Klasslehrerin in der 4. GS war ähnlich gestört. Ich kam deretwegen auf die HS & war da völlig unmotiviert (Lehrerin: „Was willst du denn lernen? Einmal Hauptschule, immer HS!“), wechselte dann auf die RS, wurde eine der besten, Abi 2. Bildungsweg, heute Doktorandin.
— @[email protected] 🫂 (@Donauschwalbe) June 20, 2019
Völlig unverständlich
Mein Mann sollte in die Förderschule gesteckt werden, weil er nicht richtig ausschneiden konnte 🤦♀️
Nun, das kann er immernoch nicht richtig. Aber dafür hat er einen handwerklichen Beruf gelernt und arbeitet inzwischen in der IT.Glückwunsch an deinen Sohn ☺️
— Anna 🇺🇦 (@annaberta1981) June 20, 2019
Für mehr solcher Happy Endings
Beim Lesen Gänsehaut bekommen. Und mich an einen Schulkollegen erinnert, den die VS-Lehrerin nicht aufs Gymnasium geschickt hätte. Seine Mutter blieb aber dahinter. Er hat in Chemie promoviert, leiwanden Job, gutes Leben. Die Lehrerin war exakt so drauf wie diese Psychologin.
— Carmen Baumgartner (@CBaumgPoetz) June 20, 2019
Wo wir gerade beim Thema Kopfschütteln sind: