
Heißa, Hurra! Das Wahlprogramm der Union ist da. Gestern stellten Armin Laschet (CDU) und Markus Söder (CSU) ihren Fahrplan für die Post-Merkel-Ära vor. Auf wen es so wirken mag, als ob die Union ihr Programm absichtlich als letzte der großen Parteien vorgestellt hätte bzw. die Veröffentlichung künstlich hinausgezögert hat, um sich einen Vorteil zu verschaffen, den können wir beruhigen. Im Wahljahr 2017 erschien das Programm ebenfalls erst sehr spät. Der Grund sind Streitereien… pardon Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den beiden christlichen Schwesterparteien. Nun sollte man meinen, dass die Union die zusätzliche Zeit genutzt hat, ein ausgewogenes und zukunftsorientiertes Wahlprogramm auf die Beine zu stellen, das die Probleme von heute und morgen anpackt. Schließlich hatte der CDU-Chef bei seiner Nominierung zum Kanzlerkandidaten von einem „Jahrzehnt der Modernisierung“ gesprochen. Zudem wurde keine Gelegenheit in den letzten Wochen ausgelassen, alle Vorschläge der Grünen, namentlich Annalena Baerbock, als realitätsfern, nicht finanzierbar oder als unausgewogen zu kritisieren. Dementsprechend gab es Erwartungen an CDU und CSU, dass eben diese Punkte im Wahlprogramm adressiert werden.
Hoch waren diese gewiss nicht, aber das liegt in der Natur der Parteien. Konservative Kräfte machen eben nun mal konservative Wahlprogramme. Wer sich also den großen Wurf erhofft hat und mit grundlegenden Reformen rechnete, kennt das Wesen der Unionsparteien schlecht. Doch das, was CDU/CSU da nun vorgelegt haben, ist selbst für Konservative mehr als eine schwache Leistung.
Finanzpolitik
Die Ziele klingen vernünftig, ehrbar und reihen sich in den typischen CDU-Sound der vergangenen Jahre ein: Investitionen, Entlastungen und ein ausgeglichener Haushalt. Zumindest in der Theorie. Denn Zukunftsversprechen, die mit der gelebten Regierungsrealität im Gegensatz stehen, führen zu genau dem Vertrauensverlust, mit dem die Union seit längerem zu kämpfen hat. Den Warnungen von Steuerexperten und Konjunkturforschern, die schwierige Zeiten auf Deutschland zukommen sehen, begegnen CDU und CSU mit der alten Leier vom ewigen Wirtschaftswachstum als Allheilmittel. Wahrscheinlich hat Friedrich Merz selbst an diesen Passagen mitgeschrieben. Am morgigen Mittwoch wird das Bundeskabinett unter Angela Merkel wahrscheinlich bis zu 100 Milliarden Euro zusätzliche Schulden beschließen. Egal wer also nach der Wahl regiert, er oder sie sieht sich einer Neuverschuldung von 240 Milliarden Euro gegenüber, aus 2020 kommen noch mal 130 Milliarden Euro dazu, zuzüglich der Summe, die morgen beschlossen wird. Wie genau dieser gewaltige Schuldenberg abgebaut werden soll, darüber schweigt das Wahlprogramm der Union. Stattdessen gibt es eine direkte Absage an Steuererhöhungen. Besserverdiener und Unternehmen sollen stattdessen entlastet werden und zwar um bis zu 50 Milliarden Euro. Trotzdem will man einen ausgeglichenen Haushalt erreichen, also an der schwarzen Null festhalten. Wie das inmitten einer Pandemie gehen soll, von der wir nicht wissen, wie lange sie noch andauern wird, und wie die Union den verfassungsmäßigen Auftrag, den Klimawandel zu stoppen, finanzieren will, bleibt unklar. Das Nachsehen werden wahrscheinlich wieder untere Einkommen und Menschen, die Sozialleistungen beziehen, haben. Die Umverteilung von unten nach oben wird auch in der nächsten Legislaturperiode nicht gestoppt werden.
Klimapolitik
Doch genug von den Finanzen. Was hat die „Klimaunion“ denn nun für konkrete Maßnahmen im Programm, um die Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen? Die Antwort darauf fällt eher ernüchternd aus. Als Hauptinstrument führen die Christdemokraten immer noch den bereits als nicht ausreichend wirksam erwiesenen Emissionshandel an. Keine Zukunftsinvestitionen in Windkraft oder Solarenergie und auch kein Verbrennerausstieg. Die Rede ist stattdessen von Vertrauen in Innovationen und Zukunftstechnologien. Das FDP-Wahlprogramm lässt grüßen. Die konkreteste Maßnahme im Kampf gegen den Klimawandel ist die Förderung von Flugtaxis. Kein Witz. Wie die CDU das 1,5 Grad Ziel von Paris ohne weitere Maßnahmen erreichen will, bleibt ihr Geheimnis. Von wollen kann aber in diesem Kontext wahrscheinlich keine Rede sein. Trotzdem erscheint es mehr als albern, dass man sich wochenlang an den Maßnahmen der Grünen abgearbeitet und dann selbst nichts vorzuzeigen hat. In puncto Klimakrise ist dieses Wahlprogramm eine klare Absage an alle jungen Wählerinnen und Wähler. Damit dürfte auch klar sein, warum CDU-Chef Laschet sich einem Kanzlerduell unter der Moderation von Rezo und Thilo Jung verweigert hat. Für die jüngere Generation hat man schlicht keine Antworten auf Zukunftsfragen parat. Hier herrscht gähnende inhaltliche Leere.
Der Rest
Auch die Probleme der Gegenwart finden im CDU-Programm wenig Beachtung, was jedoch niemanden überraschen dürfte. Keine Rentenreform, keine Antworten auf Wohnungsnot, Alters- und Kinderarmut. Selbst das Thema Digitalisierung, das immerhin einen beachtlichen Platz im Programm einnimmt, verkommt zu einer Farce um Hacker, Onlinedurchsuchungen und Vorratsdatenspeicherung. Wo die Union da eine Erneuerung sieht, bleibt ein Rätsel. Wenig überraschend finden frauen- und queerpolitische Themen im Unionsprogramm keinen nennenswerten Platz.
Fazit
Es hätte sicherlich auch gereicht, wenn man das alte Wahlprogramm von 2017 erneut präsentiert hätte. So wenig Neues findet sich in dem gestern veröffentlichten Pamphlet. Einmal mehr beweist die Union, dass sie eine Partei des Stillstands und der Verwaltung ist. Mutige politische Gestaltung ist von den Christdemokraten auch in den kommenden 4 Jahren wahrscheinlich eher nicht zu erwarten. Hier bleibt zu hoffen, dass der künftige Koalitionspartner an den wichtigen Stellen entsprechend Druck ausübt. Obwohl eine schwarz-grüne Koalition rechnerisch am wahrscheinlichsten gilt, gehen die Programme beider Parteien so weit auseinander, dass eine funktionierende Zusammenarbeit fast unmöglich scheint, aber man soll ja niemals nie sagen. Mit Blick auf die Eckpunkte dieses Wahlprogramms sollte nun aber auch dem Letzten klar sein, dass sich die CDU nichts sehnlicher wünscht, als mit der FDP eine Regierung zu bilden. Und auch, wenn ein Wahlsieg der Christdemokraten als wahrscheinlich gilt, ob es dann auch zu schwarz-gelb reicht, wird noch spannend werden.
Wir haben uns auf Twitter umgesehen und ein paar der treffendsten Reaktion für euch zusammengestellt.
#1: Wir sparen den Sozialstaat noch ein bisschen kaputt und privatisieren wieder irgendwas
https://twitter.com/nicosemsrott/status/1406926451853627394
#2: Die 90er Jahre haben angerufen und wollen ihre Ideen wieder
Alles wie früher! Malle für 20€! Jeder ein Auto! Steuern runter! Schwarze Null! Tolle Infrastruktur! Einhörner für alle!
#CDU Wahlprogramm
— Marina Weisband (@Afelia) June 21, 2021
Alles wie früher! Malle für 20€! Jeder ein Auto! Steuern runter! Schwarze Null! Tolle Infrastruktur! Einhörner für alle!
#CDU Wahlprogramm
— Marina Weisband (@Afelia) June 21, 2021
#3: Selten so gelacht
Mein aktueller Lieblingssatz im Wahlprogrammentwurf der @CDU : „Eine Vermögensteuer würde uns alle treffen.“ 😉
— Ulrich Schneider (@UlrichSchneider) June 19, 2021
Mein aktueller Lieblingssatz im Wahlprogrammentwurf der @CDU : „Eine Vermögensteuer würde uns alle treffen.“ 😉
— Ulrich Schneider (@UlrichSchneider) June 19, 2021
#4: Ohne Scheiß
Stell dir vor, es ist Klimakrise und die konkreteste Maßnahme dagegen aus deinem Wahlprogramm sind Flugtaxis. #CDUWahlprogramm
— Carla Reemtsma (@carla_reemtsma) June 21, 2021
Stell dir vor, es ist Klimakrise und die konkreteste Maßnahme dagegen aus deinem Wahlprogramm sind Flugtaxis. #CDUWahlprogramm
— Carla Reemtsma (@carla_reemtsma) June 21, 2021
#5: Überraschung
https://twitter.com/teresabuecker/status/1406883964757938178
#6: Nett umschrieben
Wenn man sich im #CDUWahlprogramm für noch mehr #Rüstungsexporte einsetzt, das aber nicht so sagen will, schreibt man: "Mehr Dynamik in der Rüstungskontrolle" und "Rüstungsexporte sind ein gestaltendes Element der Sicherheitspolitik". Steht so im Programm. Sollte man wissen.
— Georg Restle (@georgrestle) June 21, 2021
Wenn man sich im #CDUWahlprogramm für noch mehr #Rüstungsexporte einsetzt, das aber nicht so sagen will, schreibt man: "Mehr Dynamik in der Rüstungskontrolle" und "Rüstungsexporte sind ein gestaltendes Element der Sicherheitspolitik". Steht so im Programm. Sollte man wissen.
— Georg Restle (@georgrestle) June 21, 2021
#7: Übersetzung für die Generation Z
new #CDUWahlprogramm just dropped
— Jakob 🌍🌱☭🏴 (@jakob4justice) June 21, 2021
new #CDUWahlprogramm just dropped
— Jakob 🌍🌱☭🏴 (@jakob4justice) June 21, 2021
#8: Genau das, was die CDU ihren Gegnern immer vorwirft
Ich sehe nicht, wie das #CDUWahlprogramm finanzierbar ist, denn es sieht eine Entlastung der Spitzenverdiener und Unternehmen um € 50 Milliarden jährlich vor, schließt jedoch Steuererhöhungen kategorisch aus. Und es will möglichst schnell zur Schwarzen Null zurück.
— Marcel Fratzscher (@MFratzscher) June 21, 2021
Ich sehe nicht, wie das #CDUWahlprogramm finanzierbar ist, denn es sieht eine Entlastung der Spitzenverdiener und Unternehmen um € 50 Milliarden jährlich vor, schließt jedoch Steuererhöhungen kategorisch aus. Und es will möglichst schnell zur Schwarzen Null zurück.
— Marcel Fratzscher (@MFratzscher) June 21, 2021
#9: Wahrscheinlich will die Union für Klimaneutralität beten
Es ist so lächerlich! Ihr redet im #CDUWahlprogramm von Klimaneutralität und wollt den Leuten ernsthaft verkaufen, dass das ohne Verbrennerausstieg, neue Windkraft und Zukunftsinvestitionen geht. #GarKeinPlan 🤦♂️
— Jakob Blasel (@jakobblasel) June 21, 2021
Es ist so lächerlich! Ihr redet im #CDUWahlprogramm von Klimaneutralität und wollt den Leuten ernsthaft verkaufen, dass das ohne Verbrennerausstieg, neue Windkraft und Zukunftsinvestitionen geht. #GarKeinPlan 🤦♂️
— Jakob Blasel (@jakobblasel) June 21, 2021
#10: Vorsicht, Satire!
Spannender Leak zum #CDUWahlprogramm: Das könnte der Befreiungsschlag für @ArminLaschet sein! Kommt er so aus der Glaubwürdigkeitslücke (für #Klimaschutz, aber gegen Klimaschutzmaßnahmen) raus? Was meint Ihr?
— Michael Schäfer @michaelschaefer.bsky.social (@schaefer_berlin) June 21, 2021
Spannender Leak zum #CDUWahlprogramm: Das könnte der Befreiungsschlag für @ArminLaschet sein! Kommt er so aus der Glaubwürdigkeitslücke (für #Klimaschutz, aber gegen Klimaschutzmaßnahmen) raus? Was meint Ihr?
— Michael Schäfer @michaelschaefer.bsky.social (@schaefer_berlin) June 21, 2021
#11: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt
Also wenn ich Armin Laschet wäre, hätte ich das #CDUWahlprogramm auch so lange zurückgehalten wie es nur geht.
— Stephan Anpalagan (@stephanpalagan) June 21, 2021
Also wenn ich Armin Laschet wäre, hätte ich das #CDUWahlprogramm auch so lange zurückgehalten wie es nur geht.
— Stephan Anpalagan (@stephanpalagan) June 21, 2021
#12: Was letzte Preis?
Als letzte große Partei stellt die Union heute ihr Wahlprogramm vor.
Man hat auf die anderen warten müssen, weil man deren Benzinpreiserhöhungen um einen Cent unterbieten wollte. #CDUWahlprogramm
— ZDF heute-show (@heuteshow) June 21, 2021
Als letzte große Partei stellt die Union heute ihr Wahlprogramm vor.
Man hat auf die anderen warten müssen, weil man deren Benzinpreiserhöhungen um einen Cent unterbieten wollte. #CDUWahlprogramm— ZDF heute-show (@heuteshow) June 21, 2021
#13: … dem 30% der Wähler:innen zustimmen werden
Das #CDUWahlprogramm ist der erwartete Mix aus magischem Denken und Realitätsverweigerung.
Also genau das, was sich der überalterte Durchschnittsspießer in DE wünscht. "Augen zu und weiter so."
Das ist ein "Nach uns die Sintflut!" Programm. #LaschetVerhindern
— Johann van de Bron (@Johann_v_d_Bron) June 21, 2021
Das #CDUWahlprogramm ist der erwartete Mix aus magischem Denken und Realitätsverweigerung.
Also genau das, was sich der überalterte Durchschnittsspießer in DE wünscht. "Augen zu und weiter so."
Das ist ein "Nach uns die Sintflut!" Programm. #LaschetVerhindern— Johann van de Bron (@Johann_v_d_Bron) June 21, 2021
#14: Da brummt der Nadeldrucker
https://twitter.com/extra3/status/1406974552983408643
#15: Pssst, nicht so laut
Die CDU kündigt ein „Modernisierungsjahrzehnt“ an. Hat jemand im Kopf, wer die letzten 16 Jahre regiert hat? #CDUWahlprogramm
— nils (@nilsnto) June 21, 2021
Die CDU kündigt ein „Modernisierungsjahrzehnt“ an. Hat jemand im Kopf, wer die letzten 16 Jahre regiert hat? #CDUWahlprogramm
— nils (@nilsnto) June 21, 2021
#16: CDU-Wahlprogramm in a nutshell
Die CDU beim #CDUWahlprogramm
— Oliver Steffens (@dat_olen) June 21, 2021
Die CDU beim #CDUWahlprogramm
— Oliver Steffens (@dat_olen) June 21, 2021
#17: Hätte auch gereicht
CDU-Wahlprogramm besteht lediglich aus den beiden Wörtern "Weiter so!" #CDUWahlprogramm https://t.co/A01cYs1vkX
— Der Postillon 📯 (@Der_Postillon) June 21, 2021
CDU-Wahlprogramm besteht lediglich aus den beiden Wörtern "Weiter so!" #CDUWahlprogramm https://t.co/A01cYs1vkX
— Der Postillon 📯 (@Der_Postillon) June 21, 2021
#18: Genau so ist es
Das neue Wahlprogramm der Union lese sich wie ein Abschiedsbrief an die junge Generation, sagt @friiyo im #presseclub #CDUWahlprogramm #CDU #Laschet
— Presseclub (@ARD_Presseclub) June 21, 2021
Das neue Wahlprogramm der Union lese sich wie ein Abschiedsbrief an die junge Generation, sagt @friiyo im #presseclub #CDUWahlprogramm #CDU #Laschet
— Presseclub (@ARD_Presseclub) June 21, 2021
#19: Klingt logisch
Damit wäre ich auch nicht zu Rezo gegangen.
— Christian Helms (@ChristianHelms) June 21, 2021
Damit wäre ich auch nicht zu Rezo gegangen.
— Christian Helms (@ChristianHelms) June 21, 2021
#20: So wird es kommen
Bin überzeugt, dass die Union mit diesem Wahlprogramm gewinnen wird. In der Vergangenheit leben wollen und sich damit ins Verderben stürzen, hat in Deutschland eine lange Tradition.
— Nicht Chevy Chase (@DrWaumiau) June 21, 2021
Bin überzeugt, dass die Union mit diesem Wahlprogramm gewinnen wird. In der Vergangenheit leben wollen und sich damit ins Verderben stürzen, hat in Deutschland eine lange Tradition.
— Nicht Chevy Chase (@DrWaumiau) June 21, 2021
Genug aufgeregt! Wer dennoch mehr Tweets über die Union und ihren Kanzlerkandidaten lesen will, wird hier fündig: