AbleismTellsMe: Menschen mit Behinderung berichten über Alltagsdiskriminierung
Es ist ein schwieriges Experiment, sich (im übertragenen Sinn) in die Schuhe einer anderen Person zu begeben. In der verkürzten alltäglichen Wahrnehmung haben wir oft ein zementiertes Bild von Menschen in fremden Lebenssituationen und müssen dann feststellen, dass der Zement bröckelt, je tiefer wir uns auf die Lebensumstände des anderen einlassen. Niemand ist frei von Vorurteilen und vermutlich kommt niemand durch das Leben, ohne seinen eigenen Kampf gegen die Vorurteile anderer auszufechten. Wir werden diskriminiert. Wir diskriminieren.
Unter #AbleismTellsMe bzw. #AbleismusTellsMe berichten Menschen mit Behinderung, welche Erfahrungen sie mit Alltagsdiskriminierung machen. Es sind erschreckende, beschämende und berührende Berichte. Und wer sich in diese Schuhe begibt, der wird vermutlich feststellen, dass unsere Gesellschaft noch lange nicht so aufgeklärt, fair und inklusiv ist, wie sie 2020 sein sollte.
Wir haben für euch einige der eindrucksvollsten Statements zusammengestellt.
#1:
#AbleismTellsMe, wenn ich meinem Halsnasenohrenarzt deutlich untersage meinen Rollstuhl zu schieben und er entgegnet mir: „Das ist meine Praxis. Da mache ich was ich will.“
— annton beate schmidt (@tinyfishbowl) September 2, 2020
#2:
#AbleismTellsMe dass Behinderte eigentlich keine Konzerte besuchen & bei Veranstaltungen nicht vorgesehen sind, weswegen die Rollstuhlplätze irgendwo am anderen Ende der Halle sind, wo man unmöglich etwas sehen kann. Besonders nicht wenn man VERDAMMT NOCHMAL NICHT AUFSTEHEN KANN.
— Carolin ✨ (@coralinart) September 2, 2020
#3:
Euer #AbleismTellsMe, dass ich ein fiktiver Zwerg, ein Gnom, ein Liliputaner bin, kein kleinwüchsiger Mensch mit Bedürfnissen, Träumen und Rechten. Und wenn ihr schon lest: Nein, heimliches Fotografieren von Kleinwüchsigen ist nicht ok! Und nein, auch kein Selfie gegen Geld! 🖕
— Michel Arriens (@RollerUndIch) September 2, 2020
#4:
„Was möchtest du später mal werden?“
Ich als Kind freudestrahlend :,,Tagesschausprecherin!“
Gegenüber:,,So jemanden wie dich,wird man nicht vor die Kamera lassen, das weisst du schon?!“
Bin dann Europaabgeordnete geworden #AbleismTellsMe
— Katrin Langensiepen (@k_langensiepen) September 2, 2020
#5:
#AbleismTellsMe scheint ein Hashtag zu sein, an dessen Verständlichkeit Nichtbehinderte scheitern. Wir jammern nicht, wir zeigen konkrete Behindertenfeindlichkeit auf und ihr solltet ganz genau zuhören und mitlesen.
— marlies (@outerspace_girl) September 2, 2020
#6:
#AbleismTellsMe wenn Behinderte bekommen, was sie brauchen, wird Nichtbehinderten was weggenommen.
Nein, Hildegard, wenn andere Leute endlich Rampen, Geländer, Sehhilfen, Hörgeräte, Schulbegleitungen bekommen, hast du nicht weniger als vorher!— kerisma (@kerisma20) September 2, 2020
#7:
#AbleismTellsMe: Weil bei mir EIN (1) Wort im Assistenzbescheid fehlt, darf ich nicht viel verdienen und nur max. 2.600 € ansparen. Das fehlende Wort: „Teilhabe“. Bei mir steht nur: „Hilfe zur Pflege“.
True story. Kein Spaß. Realität 2020.
— Anastasia Umrik (@AnastasiaUmrik) September 2, 2020
#8:
#AbleismTellsMe das die Polizei komplett willkürlich gegen mich vorgehen kann und ich nur der „Psychisch Kranke mit Migrationshintergrund“ wäre
— Pajam (@Pajam_Advieh) September 2, 2020
#9:
Euer #AbleismTellsMe, dass ich ignorant, antisozial, gefährlich, menschenverachtend [..] bin; jedesmal, wenn ihr Nazis und sonstige Arschlöcher „irre“ oder „krank“ nennt.
— nebelglas (@nebelglas) September 2, 2020
#10:
#AbleismTellsMe Wenn mir Leute erzählen „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“ und z.B. auf Sportler*innen mit Behinderung hinweisen, die an den Paralympics teilnehmen, die also ganz viel und ganz Besonderes leisten.
Ich habe eine Behinderung und muss nichts Besonderes leisten.— Amalia @🏠 💗💛💙🏳️🌈 (@Fortunately1) September 2, 2020
#111:
#AbleismTellsMe dass anscheinend nur Behinderungen die man sehen kann, „echt“ sind. Alles andere ist mangelnde Disziplin (Erwachsene) oder Erziehung (Kinder) und man müsste sich nur mal richtig anstrengen oder zusammen reißen.
— Miauzelot (@InsolitaLepi) September 2, 2020
#12:
Meine Frau und ich kamen in eine Bankfiliale und sprachen miteinander wie immer in Gebärdensprache. Eine Bankangestellte wirkt genervt und sprach mit ihrer Kollegin darüber, wie anstrengend es mit uns wird. Dummerweise ist meine Frau hörend und kriegte alles mit. #AbleismTellsMe
— Benedikt Sequeira Gerardo (@bseqgerardo) September 3, 2020
#13:
#AbleismTellsMe, dass mein Mann ein „Held“ ist und sich „kümmert“, obwohl ich ihm ja „nichts geben“ kann und nur „nehme und abhängig bin“. Dass ich ihn am „Leben“ hindere und er nur aus Fairness und Mitleid „bei mir bleibt“.
— Cat in Chief stays home (@CatInChief) September 2, 2020
#14:
Ich besuchte meine Schwester, nach der Geburt von K2, im KH. Als ich ihn nehmen wollte meinte sie, ich solle ihn nicht anfassen. Er würde sonst wie ich. #AbleismTellsMe, meine Behinderung ist schlimmer als die Pest.
Auch nach 30 Jahren tut das immer noch weh.— Sieglinde Welz@🏡 (@SieglindeWelz) September 3, 2020
#15:
#AbleismTellsMe dass ich kein:e Gesprächspartner:in auf Augenhöhe bin, wenn immer meine Begleitung angesprochen wird, statt mir. Es wurden auch schon Menschen angesprochen, die zufällig neben mir standen. Weil alleine unterwegs sein, kann ich wohl auch nicht.
— Lisa aus der Krachmacherstrasse (@LisaausderKrac1) September 2, 2020
#16:
#AbleismTellsMe, dass ich als Autistin gar kein Recht darauf habe, meinen Alltag kaum bewältigen zu können.
„Du bist erschöpft von deiner Vollzeitstelle? Ja aber, wovon denn? Das müssen andere doch auch. Iss mal mehr Vitamine, dann geht das wieder.“
— Carmy (@carmycrossing) September 2, 2020
#17:
#AbleismTellsMe dass es offenbar OK ist, wenn wildfremde Menschen mich fragen, ob ich meinen Sohn nicht besser abgetrieben hätte.
— Zitronenkaffee 💗💜💙 (@zitronenkaffee) September 1, 2020
#18:
Euer #AbleismTellsMe, dass ihr nicht versteht, dass 95% aller Behinderungen erst nach der Geburt auftreten. Jede_r kann theoretisch jederzeit Behindert werden.
Wenn ihr kein Behindertes Kind haben wollt, dann habt keine Kinder.— Anja bleibt Zuhause🧑🏻🦼 (@Das_Anja_) September 2, 2020